Dresden muss robust werden

von Norbert Rost
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Dresden drohen drei große Gefahren, die im Sinne der Daseinsvorsorge für die Bürger behandelt
werden müssen.

  1. Das Übergreifen der Finanz- und Wirtschaftskrise aus den europäischen Nachbarländernauf die hiesigen Wirtschaftsstrukturen.
  2. Der Eintritt einer Energiekrise durch Störungen im Stromnetz oder den Rückgang der Erdöl- oder Erdgasförderung.
  3. Direkte oder indirekte Auswirkungen von außergewöhnlichen Klimawirkungen auf das Stadtgebiet oder auf wichtige Wirtschaftsstrukturen außerhalb des Stadtgebiets.

Diese Fragestellungen sind eher mit einem mittel- bis langfristigen Fokus zu beleuchten, ähnlich dem Verkehrsentwicklungsplan (mit dem Horizont 2025), den Energie- und Klimaschutzkonzept (Horizont 2030) oder dem Stadtbahnkonzept (Horizont 2020). Konzeptionen für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt angesichts der hier skizzierten Herausforderungen, gibt es bislang nicht.

Die Verflechtungen der Stadt
Die Verflechtungen unserer Stadt „mit der Welt da draußen“ werden immer enger. Das ist schön, wenn man in den Urlaub fliegt oder wenn sich neue Geschäftsfelder für das Unternehmen ergeben, in welchem man arbeitet. Weniger schön sind die neuen Abhängigkeiten, die sich dadurch ergeben. Unsere Stadt ist abhängig davon, dass Lebensmittel aus weiten Teilen Europas und der Welt herangeschafft werden, damit wir etwas zu essen haben. Das gleiche gilt für viele Waren des täglichen Bedarfs, die nicht in der Nähe produziert werden, sondern deren Produktionsstandorte teilweise über den ganzen Globus verteilt sind. Deshalb sind wir abhängig davon, dass die Autobahnen frei sind, die LKWs ausreichend Sprit bekommen und die europäischen Häfen anlaufbar sind. Zugleich sind wir darauf angewiesen, dass immer ausreichend Geld in die Stadt hinein fließt, damit wir die ganzen Importwaren auch bezahlen können. Wir hängen daher ganz besonders von der Prosperität solcher Dresdner Unternehmen ab, die Waren für den globalen Markt produzieren. Brechen ihnen die Absatzmärkte weg oder bleiben die Touristen zu Hause, statt nach Dresden zu reisen, geht uns die Kaufkraft aus. Die globale Eingebundenheit funktioniert unter der Bedingung, dass der Austausch mit den weit entfernten Lieferanten und Abnehmern ungestört ist:

  • Transporte müssen möglich sein um die geografischen Distanzen zu überwinden: Straßen, Schienen und Schifffahrtswege müssen ebenso funktionieren wie Autos, LKWs, Flugzeuge, Züge und Containerschiffe.
  • Das Finanzsystem muss einsatzfähig sein, um den wirtschaftlichen Austausch auch auf finanzieller Ebene zu erlauben.
  • Das Kommunikationssystem muss funktionieren, um Absprachen und Informationsaustausch zwischen den weit entfernten Wirtschaftsakteuren möglich zu machen.

Geschwächte Systeme
Einige dieser für uns lebensnotwendigen Systeme zeigen in jüngster Zeit große Schwächen.

  • In den vergangenen 10 Jahren hat sich der Ölpreis verfünffacht. Öl ist der Treibstoff des Transportsystems und viele Spediteure laborieren am Rande der Wirtschaftlichkeit. Weitere Ölpreissteigerungen könnten Transportvorgänge verlangsamen oder sie sogar ausfallen lassen. Europas Ölförderung schrumpft seit 2002 um 5 bis 6% pro Jahr. Die Abhängigkeit von weit entfernten Öllieferländern hat zugenommen und das Importkostenwachstum beschleunigt sich weiter. Das globale Ölfördermaximum (Peak Oil) wird die Preisentwicklung noch verschärfen.
  • Die Subprime-Krise 2007 in den USA muss rückblickend als Vorphase jener Finanzkrise gewertet werden, die in Europa ihren Höhepunkt mit dem (versteckten) Staatsbankrott Griechenlands und Zyperns erfuhr und in den USA zu halbjährlichen Haushaltsstreits bis hin zur Außerbetriebnahme führt („Shutdown“). Die Euro-Krise gärt vor unserem Stadttor.
  • Stürme und Überflutungen fanden inzwischen nicht nur auf den Philippinen statt, sondern auch in Dresden selbst. Ein größeres Wetterereignis entlang der in globaler Dimension geknüpften Versorgungsverbindungen könnte Rückwirkungen in unsere Stadt haben: Zum Beispiel eine Sturmflut im Hamburger Hafen, der zentraler Umschlagplatz für Containerschiffe ist, oder eine wetterbedingte Zerstörung der holländischen oder spanischen Gemüseplantagen.
  • Das Internet ist Tummelplatz für Geheimdienste geworden und der Begriff vom „Cyberwar“ ist keine Fiktion mehr. Im Ölkonzern Saudi Aramco, der regelmäßig dämpfend auf Ölpreisentwicklungen einwirkt, wurden 2012 durch einen Virusangriff 30.000 Computer zerstört. Ziel der Angreifer war es, die Ölförderung lahmzulegen.2
    Durch den Bedeutungszuwachs von Computern sind diese Systeme lohnende Ziele für zerstörerische Akte. Angriffe auf die IT-Infrastruktur von Unternehmen oder Ländern werden häufiger
  • In 2012 mussten die Netzbetreiber schon dreimal öfter zur Stabilisierung der Stromnetze
    eingreifen, als noch in den Jahren zuvor.

Darüber hinaus haben sich in den vergangenen Jahren Gefahren entwickelt, die vorher in dieser Form nicht vorhanden waren:

  • Unser tägliches Leben setzt das Vorhandensein von elektrischem Strom voraus. Ein Blackout könnte unabsehbare Einschränkungen mit sich bringen, wenn er länger anhält. Unsere Informations- und Kommunikationssysteme funktionieren dann nicht. Viele (oft unsichtbare) Maschinen würden ausfallen, wie beispielsweise die Heizungspumpen in unseren Häusern. Mit der zunehmenden Digitalisierung der elektrischen Systeme wächst die Gefahr von Hackerangriffen und damit die Verletzlichkeit des Elektrizitätssystems (Stichwort: Smart Metering3). Zudem ist die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energiequellen unerprobt und damit müssen (zwischenzeitliche) Fehlentwicklungen erwartet werden.
  • Terrorismus ist eine abstrakte Bedrohung, die aufgrund der ausufernden Versorgungsdistanzen auch dann in Dresden spürbar sein kann, wenn der eigentliche Terrorakt weit entfernt von der Stadt passiert.
  • Die politische Lage in vielen Ländern, mit denen unsere Stadt wirtschaftlich verbunden ist, ist selten so stabil wie in Deutschland. Die Revolution in Libyen ließ den kleinen Öllieferanten bereits zweimal ausfallen. Der Gasstreit der Ukraine mit Russland könnte wiederkehren. Von dort bezieht auch Dresden viel Gas. Politische Unruhen in Saudi Arabien würden die Ölpreise weltweit massiv ansteigen lassen.

Resilienz als Strategie
Ein Junge, den seine Mutter „robust“ nennt, dem kann nichts etwas anhaben. Er steht wieder auf, wenn er hinfällt, er wird nie richtig krank, sondern kriegt nur leichtes Fieber. Wenn er mal heult, dann kurz und heftig. Er geht seinen Weg, ohne liegenzubleiben.

Man kann sich nur wünschen, in einer Stadt zu leben, die wie dieser Junge ist. Egal was um sie herum oder in ihr drin passiert, der Kern des Stadtlebens geht weiter:

  • Sie versorgt uns auch dann mit Lebensnotwendigem, wenn weit entfernte Ereignisse die Versorgungskanäle unterbrechen, auf die wir derzeit wie selbstverständlich bauen.
  • Die wichtigsten Dinge funktionieren auch dann, wenn der Strom ausfällt.
  • Unsere Unternehmen und unsere Geldbörsen halten es aus, wenn mal eine Wirtschaftskrise vorüberzieht. Selbst dann, wenn das Finanzsystem zusammenbricht.
  • Wir bleiben selbst dann mobil, wenn Öl unbezahlbar ist.
  • Extremwetter in der Stadt oder entlang ihrer Versorgungskanäle mögen Einschränkungen mit sich bringen, aber das wirft uns nicht um.

Ist Dresden solch eine robuste Stadt? Soll sie es werden?
Systeme, die Störungen tolerieren, nennt man „resilient“. Resilienz bedeutet soviel wie Widerstandsfähigkeit. Eine widerstandsfähige Stadt wäre so gestaltet, dass äußere Störereignisse nur begrenzt schädlich sind. Angesichts der zunehmenden Abhängigkeit Dresdens von weit entfernten Strukturen bei gleichzeitig ansteigenden Risiken für diese Strukturen, ist es sinnvoll,
unser städtisches Leben auf seine Verletzlichkeit hin zu prüfen und es robuster zu gestalten. Resilienz sollte zum zentralen Kriterium der Stadtpolitik werden: Unsere Stadt sollte lernen zu funktionieren, auch wenn sie schädlichen Einwirkungen von außen ausgesetzt ist. Unsere Vorfahren haben Feuerwehren organisiert, um gegen Brände gewappnet zu sein und sie rechtzeitig zu löschen, bevor die ganze Stadt abfackelt. Sie haben ihr Stadtleben um ein Phänomen erweitert: Um einen Mechanismus, um Feuerkrisen vorzubeugen und sie schnell zu bewältigen, wenn sie passieren. Feuerwehren eben. Sie haben Krankentransporte und Krankenhäuser entwickelt, um Krankheiten einzudämmen. Krankheiten sofort zu behandeln, statt sie zu Seuchen werden zu lassen, half die Widerstandsfähigkeit des städtischen Organismus zu stärken. Heute halten wir Krankenhäuser und Feuerwehren für selbstverständlich. Sie sind heute eine so gute Idee wie damals, als sie ersonnen wurden.
Unsere Vorfahren haben mit der Gestaltung von Feuerwehren und Krankenhäusern zu einer Zeit begonnen, als Städte noch nicht eine halbe Million Einwohner hatten und „Wirtschaft“ noch bedeutete, dass fast jeder einen Hof mit Hühnern und einen Gemüsegarten besitzt und nebenbei einem Handwerk nachgeht. Die Gefahren einer hochindustrialisierten und hochgradig arbeitsteilig organisierten Metropole, die von Transporten, Öl, Strom und IT-Infrastrukturen abhängt, konnten sie nicht vorausahnen. Inzwischen sind selbst die Erfindungen von damals abhängig von diesen Elementen der Neuzeit: Feuerwehren brauchen Diesel und Krankenhäuser Strom. Beide halten
Treibstoffreserven und Notstromaggregate vor, um Versorgungsausfällen vorzubeugen. Doch es gilt
zu fragen:

  • Wie lang halten diese Reserven im Fall des Falles? (Einen Tag? Eine Woche? Einen Monat?)
  • Wurden wechselseitige Zusammenhänge betrachtet, wie die Tatsache, dass Notstromaggregate Diesel brauchen, jedoch die meisten Tankstellen mit elektrisch betriebenen Pumpen funktionieren und daher bei Stromausfall keinen Treibstoff bereitstellen können?
  • Was ist mit den anderen städtischen Strukturen, von denen unser Leben ebenfalls abhängt,wie dem ÖPNV, den Supermärkten, Telefon und Internet, dem Heizungssystem, denBankautomaten? Können wir auf diese im Störfall verzichten?

Oder vielleicht besser gefragt: Wie müssen wir unsere Stadt organisieren, damit wir im Störfall auf
diese Systeme verzichten können? Oder noch besser: Wie müssen wir es organisieren, dass wir
selbst im Störfall ein funktionierendes Stadtleben haben?
Unsere hochindustrialisierte, hochmobile und hochelektrifizierte Stadt hat eine große Fallhöhe
erreicht. Unsere städtische Risikovorsorge betrachtet viele der oben dargelegten Risiken bislang
noch nicht. Dies ist ein Plädoyer dafür, Resilienz als wichtigen Aspekt in das Stadtleben
einzuführen. Das würde bedeuten:

  • Unsere bestehenden Strukturen nach ihrer Verletzlichkeit zu untersuchen,
  • Strategien und Herangehensweisen zu ersinnen, die Verletzlichkeit zu verringern und die Widerstandsfähigkeit zu erhöhen,
  • die Interdependenzen und Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen städtischen Systemen zu berücksichtigen,
  • Resilienz als Kriterium in unsere Entscheidungen aufzunehmen – sei es auf Ebene der Haushalte, der Unternehmen, der Kommunalpolitik oder der Stadtverwaltung.

Resilienz sollte im Sinne der Daseinsvorsorge für uns Dresdner „grundlegende Philosophie“ unserer
Stadtentwicklung werden. Es sollten solche Entwicklungen vermieden werden, die unsere Stadt
verletzlicher machen. Stattdessen sollte in den Strategien der Stadtverwaltung, der Unternehmen
und auch der Haushalte Widerstandsfähigkeit eine zunehmende Rolle spielen, um das
„Gesamtsystem Stadt“ weniger störanfällig zu machen.

Resilienz einbauen
Um Resilienz in unsere Stadt einzubauen hilft es, Dresden als ein komplexes System anzusehen.
Dieses komplexe System besteht aus Sub-Systemen, deren wechselseitige Interaktion zu dem führt,
was wir Stadtleben nennen. Das Transportsystem ist beispielsweise eines der wichtigsten Sub-
Systeme Dresdens. Es besteht aus Transportinfrastruktur wie Straßen, Schienen, Oberleitungen, ITSystemen,
Werkstätten, Fahrzeugen aber auch aus Mitarbeitern und Arbeitsabläufen.
Energiezuflüsse halten es am Laufen. Ein weiteres wichtiges System – das Energiesystem – wird
hauptsächlich von der DREWAG bearbeitet. Sie stellt Wärme und Strom bereit, erzeugt aus
norwegischem und russischem Gas in den Dresdner Kraftwerken und verteilt über Leitungen. Hinzu
kommt das Tankstellennetz, welches die Energie für einen Großteil des Transportsystems
bereitstellt. Es wird seinerseits von Raffinerien beliefert, die sämtlichst nicht in der Region Dresden
liegen (was eben auch für die Rohstoffquellen der Raffinerien gilt). Das Lebensmittel- und Waren-
Versorgungssystem besteht aus vielen Läden und (Super-)Märkten, Fuhrparks, ihren Mitarbeitern
und Abläufen.4 Für die Bestückung des Einzelhandels ist ein funktionierendes Transportsystem
unabkömmlich. Weitere Systeme sind ebenfalls wichtig für das Stadtleben, wie das Bildungs- und
Betreuungssystem (Schulen, Kitas, Hochschulen), das Gesundheitssystem (Krankenhäuser,
Ambulanzen, Praxen mit Ärzten, Pflegern, Technikern) sowie das Finanzsystem (Banken,
Rechenzentren, Geldautomaten). Feuerwehr und Polizei wurden bereits genannt. Eine besondere
Bedeutung kommt dem Kommunikationssystem zu (Netze, Schaltstellen, Funktürme, Telefone, Computer, Rechenzentren), dessen Funktionsfähigkeit von der Versorgung mit Elektrizität abhängt.

Alle anderen Systeme setzen ein funktionierendes Kommunikationssystem voraus. Alle Systeme
gemeinsam formen das, was wir „Stadt“ nennen.5
Betrachtet man die Stadt als komplexes System, fällt schnell auf, wie stark die einzelnen Sub-
Systeme ineinandergreifen und teilweise sogar voneinander abhängen. Mineralöl für das
Transportwesen, Strom für Maschinen sowie das Informations- und Kommunikationssystem sind
die fundamentalen Grundlagen für das Funktionieren aller anderen Systeme. Um die Wichtigkeit
dieser Elemente und ihre Verletzlichkeit kennenzulernen, sollten wir eine Verletzlichkeitsanalyse
durchführen. Dabei kann gefragt werden:

  • Welche Szenarien sind denkbar, die diese Bereiche stören?
  • Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass solche Störungen auftreten?
  • Wie stark können diese Störungen werden?
  • Welche Auswirkungen hätte dies auf das Stadtleben?

Wenn wir wissen, an welchen Stellen unsere Stadt besonders verletzlich ist, kann eine
Resilienzstrategie aufgestellt werden, um die Störungsanfälligkeit zu verringern. Systemtheoretiker
empfehlen zur Erhöhung der Resilienz:

  • Puffer
  • Effizienz
  • Redundanz

Puffer wären im Fall oben dargestellter Problemstellungen beispielsweise Speicher: Speicher für
Strom (Pumpspeicherwerk Niederwartha), Speicher für Gas, Speicher für Öl6; aber auch
Vorratshaltung für Lebensmittel oder andere Waren. Das Land Sachsen empfiehlt jedem Haushalt
Vorräte für 14 Tage anzulegen und hat dafür 2013 sogar ein eigenes Werbevideo produziert.7 Aber
wie sieht es eigentlich mit der Vorratshaltung in Unternehmen und Behörden aus oder der Stadt im
Ganzen? Puffernd kann auch kluges Design wirken: Wenn ein Unternehmen eine zeitlang auf
bestimmte Mitarbeiter oder auf Strom verzichten kann und trotzdem keine Probleme bekommt, so
hat es eine Art Zeitpuffer, den es durch klug entworfene Arbeitsabläufe erhält. Puffer herzustellen
bedeutet also nicht unbedingt, ein „Gefäß“ zu errichten, in welchem etwas gespeichert wird,
sondern kann auch bedeuten, die Funktionsweise einzelner Systeme hin zu mehr Flexibilität zu
verändern.
Effizienz bezieht sich im Zusammenhang mit Widerstandsfähigkeit vor allem auf den Aspekt, dass
ein System auch mit wenig Input arbeiten kann. Eine Stadt, die viel Mineralöl benötigt ist
verletzlicher als eine, die nur wenig benötigt. Denn ein wenig Öl zu besorgen oder zu speichern ist
einfacher, als große Mengen herbeizuschaffen oder vorrätig zu halten. Wo wenig benötigt wird, ist
die Fallhöhe geringer; die Kosten, der Umweltverbrauch und die Abhängigkeit auch.
Redundanz ist dann vorhanden, wenn wichtige Teile mehrfach vorhanden sind oder es mehrere
Wege gibt, die benötigten Ergebnisse zu erzielen. In Flugzeuge oder Raumschiffe werden immer
mindestens zwei Bordcomputer eingebaut, damit der zweite die Arbeit übernehmen kann, falls der
erste ausfällt. Dieses Prinzip ist auch auf städtische Strukturen übertragbar. Wenn in Dresden die
Treibstoffe knapp würden, könnten die Leute mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahren oder mit dem
Fahrrad – vorausgesetzt, der ÖPNV ist nicht völlig überlastet oder sie haben ein Rad und sind fähig damit zu fahren. Gäbe es noch viele Festnetztelefone ohne eigenen Strombedarf, wäre Telefonieren möglich, wenn der Strom ausfällt – weil das Telefonnetz eine eigene redundante Stromversorgung hat. Wenn jedoch beispielsweise der globale Warenaustausch brach liegt, haben wir derzeit keine ausreichend vielfältige Regionalwirtschaft, um uns mit grundlegenden Waren aus der nahen Umgebung zu versorgen. Resilienter wäre unsere Stadt, wenn wir auf funktionierende regionale Wirtschaftskreisläufe und die globalen Versorgungsstrukturen bauen könnten.

Nächste Schritte
Um Dresden robuster gegenüber Störungen zu machen und unserer Stadt auch unter widrigen
Umständen lebenswürdig zu halten, sollten wir folgendes tun:

  1. Analysieren, welche Funktionen unser Stadtleben zwingend braucht und welche weniger wichtig sind.
  2. Herausarbeiten, wie verletzlich die wichtigen Systeme sind und Stör-Szenarien und deren Wirkungen durchdenken.
  3. Eine Resilienz-Strategie für den Stadtorganismus erarbeiten, der Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Haushalte und Behörden beinhaltet.
  4. Die bereits bestehenden Strategien der Stadtverwaltung unter dem Blickwinkel dieser Resilienz-Strategie beleuchten und gegebenenfalls anpassen.
  5. Eine Resilienz-Kultur im Bewusstsein der Dresdner verankern, indem sich wiederkehrend Veranstaltungen mit Fragen der Verletzlichkeit und Widerstandsfähigkeit befassen.
  6. Den Resilienz-Ansatz dorthin exportieren, von wo die Stadt versorgt wird, um auch die außerhalb der Stadt gelegenen Strukturen widerstandsfähiger werden zu lassen. Dies gilt insbesondere für das Dresdner Umland: Die Region Dresden.

All diese Punkte könnten in Kooperation mit Dresdner Hochschulen und Bildungsinstituten
bearbeitet werden. Da Resilienz komplexer Systeme ein fachübergreifendes Arbeitsfeld ist, könnten
Studenten verschiedener Fachbereiche eingebunden werden: Ihre Forschungs- und
Abschlussarbeiten dienen nicht nur dazu, die Stadt resilienter zu machen, sondern sorgen für die
kulturelle Verankerung des Resilienz-Ansatzes in der Bevölkerung – denn die Studenten von heute
sind die Entscheider von morgen.

Ausblick
Bedeutet die Beschäftigung mit städtischer Verletzlichkeit Angstmacherei? Ist das Ziel erhöhter
Widerstandsfähigkeit unzeitgemäß? Entsteht dadurch eine nach innen gekehrte, sich vom globalen
Austausch abkoppelnde Stadt?
Ich glaube nicht.
Wir müssen feststellen, dass wir uns in einer Zeit bewegen, in der global Veränderungsprozesse
stattfinden. Die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe ist bereits spürbar, die steigenden Treibstoff- und
Strompreise zeigen es. Die Energiewende findet nicht nur in Deutschland statt, sondern weltweit
arbeiten wir beschleunigt auf ein Energieversorgungssystem zu, das ohne fossile Energieträger
auskommt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass – zumindest zeitweise8 – in Zukunft weniger
Energie einsetzbar sein wird als heute, da die Ausbeutung der Energiequellen nicht mit dem
weltweiten Bedarfszuwachs Schritt hält. Während unsere Stadt in einer Zeit herangewachsen ist, in der die Energiezufuhr ständig zunahm, liegt vor uns eine Zeit mit schrumpfenden Energiezuflüssen.

Dieses Phänomen ist neu. Erstmals in der Geschichte des modernen Industriezeitalters würde der
Energiezufluss nicht ständig zunehmen, sondern sich verkleinern. Solch ein „Minuswachstum“ ist
ein bislang unbekannter Zustand. Wie wird eine Gesellschaft, die bislang andauerndes Wachstum in
allen Bereichen kannte und herstellte, von solch einer Situation beeinflusst? Haben wir eine
ausreichend klare Vorstellung davon, wie eine funktionierende Postwachstumsgesellschaft aussieht?
Nun haben wir (als Gesellschaft) sehr viel Erfahrung in der Steuerung eines Gesellschaftssystems,
das die ganze Zeit den Energiegipfel aufsteigt, aber wir haben keine praktische Erfahrung darin, wie
man mit stagnierendem Energieeinkommen oder gar mit sinkender Energieverfügbarkeit umgeht.
Noch weniger Erfahrung existiert, wenn diese Energieeinkommensveränderung einhergeht mit einer
Kontraktion des Kreditwesens (=Finanzkrise), welches bekanntermaßen notwendig ist zur
Organisation von Arbeitsteilung und Realisierung von größeren und kleineren Projekten aller Art –
wie beispielsweise die Umstellung der fossil gewachsenen Energieerzeugungs- und
Verbrauchssysteme auf ein postfossiles System (inklusive des Transportsystems, Grundlage für
Arbeitsteilung über nennenswerte Distanzen). Wir stehen also möglicherweise vor der Situation, mit
marktwirtschaftlich geprägten und in energieexpandierenden Zeiten gewachsenen Strukturen und
Organisationsformen in eine Zeit hinüberzutaumeln, in der ein ganz anderes Fluidum
gesellschaftlicher Rahmenbedingungen herrscht.
Dieses „postfossile Fluidum“ ist noch nicht vollständig erfassbar. Da es sich um einen
schleichenden, zwischenzeitlich kaum wahrnehmbaren Transformationsprozess handelt, können wir
nicht einfach warten, „bis die Zeit rum ist“. Wir sind mit unserer Stadt Teil dieser Entwicklung und
es gibt Sinn, sie nicht abzuwarten, sondern sie bewusst zu beobachten, zu reflektieren, daraus zu
lernen und Handlungen abzuleiten. Die Transformation, die „draußen“ passiert, muss sich im
Stadtorganismus widerspiegeln.
Die Idee der Resilienz bedeutet hierbei nichts weniger als sich zu wappnen für Unvorhergesehenes
und jene Bereiche, die für uns Dresdner beeinflussbar sind, nicht irgendwie, sondern klug und mit
Weitsicht zu beeinflussen.

Norbert Rost. Dresden, 09.12.2013
Tel: 0351/4466069, Mail: norbert.rost@regionalentwicklung.de